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Geisterstadt am Fuss des Mount Everest

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Ein Gastbeitrag von Dominik Osswald*

Ende April hatte ich die Gelegenheit, eine Trekkinggruppe zum Everest-Basislager zu begleiten. Ich war gespannt. Wie würde die sonst so lebendige Zeltstadt aussehen, nachdem die Saison auf der Südseite vorzeitig beendet wurde? Die Antwort kam schon unterwegs. Holzkommoden, Klappstühle, Teppiche und Fixseile – alles ging mit Yakherden und Trägern talwärts, während die Helikopter pausenlos auf und ab flogen. Mit entgegenkommenden Alpinisten suche ich das Gespräch. Manche haben Verständnis. «It’s their country, not mine»,  sagt ein Australier, andere finden, sie seien Leidtragende eines Interessenkonflikts zwischen den Sherpas und der nepalesischen Regierung.

«Ich finde es nicht in Ordnung, den Tod der 16 Sherpas für politische und persönliche Interessen zu verwenden», sagt ein Belgier. Er bezieht sich auf eine von den 295 anwesenden Sherpas unterschriebene Petition. Darin fordern sie bessere Arbeitsbedingungen von der Regierung und drohen den Streik an. Die Regierung gestand gewisse Punkte ein, reagierte aber zu spät. Auch der eilends angeflogene Tourismusminister mit Delegation und Sauerstoffmaske konnte die Sherpas nicht mehr umstimmen. Wenn immer möglich nehme ich die Statements mit der Kamera auf (siehe Video).

Als wir das Basislager erreichen, ist es nur noch eine im Abbau befindliche Geisterstadt. Wesentlich spektakulärer ist eine Lawine, die gerade vom Lho-La-Pass, dem Tiefpunkt des Everest-Westgrats, herunterdonnert. Ich denke an die Worte eines amerikanischen Bergsteigers, mit dem ich zuvor gesprochen hatte. Er sagte, dass es rein sicherheitstechnisch überhaupt keinen Grund gebe, nicht weiterzumachen. «Es war diese eine unglückliche Lawine, aber seither ist Ruhe.»

Doch was ich am Lho-La-Pass sehe, macht gar nicht so einen ruhigen Eindruck… Gewiss, die eben beobachtete Lawine ist fernab der Aufstiegsroute und hat keinen Einfluss auf die Bergsteigerei. Da, wo sie losging, hängen die Eismassen des Rongbuk-Gletschers bedrohlich über eine Felswand. Nichtsdestotrotz zeigt es die Dynamik dieser Eislandschaft, wo Klimawandel sich über Nacht öffnende Gletscherspalten und unberechenbar zusammenfallende Eistürme bedeutet. Ob es da jemals Ruhe gibt?

Die Worte des Gurus

Am nächsten Morgen sehen wir wieder eine Lawine. Diesmal wälzen sich die Eis- und Schneemassen oberhalb des Khumbu-Eisbruchs aus dem Tal des Schweigens. Laut anwesenden Sherpas «gefährlich nahe, wenn nicht sogar auf der Aufstiegsroute». Es ist natürlich niemand unterwegs, die Route wurde ja sich selbst überlassen. Die Sherpas wiederholen, dass es ein schlechtes Jahr sei und mahnen an die Worte des höchsten Mönchs der Region, Guru Ringboche. Er habe ein schwarzes Jahr vorausgesagt. So wie schon 1996, als in der zuvor grössten Everest-Tragödie acht Menschen im Schneesturm starben. Wie oft der Guru mit seiner Prognose schon falsch gelegen hatte, sei dahingestellt. Laut den Sherpas noch nie. «Wieso hat man dann nicht auf ihn gehört?» Es kommt keine konkrete Antwort. Es wird aber deutlich, dass die Sherpas, Guru hin oder her, nicht auf ihr Einkommen verzichten können oder wollen. Keiner will aussprechen, dass Guru Ringboche gegen die Verlockung des Geldes nicht ankommt. Ich frage, ob sie nächstes Jahr wiederkommen und sie sagen: «Ja, wahrscheinlich schon».

Nächstes Jahr gelten also wieder andere Regeln, für Sherpas und für Bergsteiger. Und für den Eisbruch? Die Physik? Werden die Eistürme nächstes Jahr stabiler sein? Das kann man bezweifeln. Die Südroute führt durch eine Eislandschaft, die durch viel Sonnenschein und steigende Temperaturen im Schmelzen, Fliessen und Einstürzen begriffen ist. Kari Kobler, der Schweizer Expeditionsführer am Everest, zieht aus diesem Grund seit Jahren die Nordroute auf den Gipfel vor. Sein Argument: «Weniger objektive Gefahren.»

Gefährlicher Stau

An einem allgemeinen Umdenken auf die Nordroute ist aber Nepal bestimmt nicht interessiert. Das Land würde nichts mehr am Everest verdienen, denn die Nordroute verläuft über Tibet. Ans Aufgeben der Südroute denkt noch niemand, schliesslich wurde erst jüngst die Montage von Leitern am Hillary-Step, der Schlüsselstelle auf der Südroute, in Betracht gezogen. Befürworter argumentieren mit dem Vermeiden von gefährlichem Stau. Bei der 1996-Tragödie war übrigens ein erheblicher Zeitverlust mitschuldig, der sich ergeben hatte, weil Fixseile am Hillary-Step erst angebracht werden mussten. Am Nordgrat ist man auch in dieser Hinsicht weiter. Schon längst führen Leitern dort über die technisch schwierigen Felsstufen.

Auf der Heimreise sitzt meine Trekkinggruppe in Lukla fest. Das Städtlein mit dem wilden Flugplatz platzt aus allen Nähten, 1500 Touristen warten auf den Abflug nach Kathmandu. Aber die Twin Otters fliegen nicht, zu wenig Sicht. Im Starbucks entdecke ich vier französische Alpinisten, sie tragen T-Shirts mit der Aufschrift «Summit-Experience». Schnell sind wir im Gespräch. Auch sie trauern ihrem Go auf den Everest nach und rechnen vor, dass sie je bis zu 20’000 Euro verloren hätten. Ich frage, ob sie nächstes Jahr wiederkommen (denn immerhin hat die nepalesische Regierung die Gültigkeit des zehntausend Dollar teuren Permits auf die nächsten fünf Jahre ausgeweitet). «Und was ist mit all den anderen Kosten?», lautet die Gegenfrage, ausserdem habe sich Nepal ihre Gunst verspielt. Nein, falls sie je einen erneuten Versuch starten würden, dann über die Nordseite, versichern sie.

Die Reise wurde ermöglicht durch Yomads Abenteuerreisen: www.yomads.com

dominik_150 *Dominik Osswald ist Praktikant beim «Tages-Anzeiger» und begleitete als Journalist eine Trekkinggruppe zum Basislager des Everest.


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